Donnerstag, 10. Januar 2013

h.h.

Social atmospheres all over the world have become very fond of virtue lately. Even questions the nerd had taken to be private when she was younger, at least in the so-calles Western world, at least among intellectuals, had proved to be still vital to the everyday-life of women who open their mouths in public. Renewed attacks against her, reminded her of a little piece of text she had written some 15 years ago. So she decided to comment on it publicly - in German:

„Mit der Theologie kommt der Materialismus da überein, wo er am materialistischsten ist. Seine Sehnsucht wäre die Auferstehung des Fleisches; dem Idealismus, dem Reich des absoluten Geistes, wäre sie ganz fremd.
Fluchtpunkt des historischen Materialismus wäre seine eigene Aufhebung, die Befreiung des Geistes vom Primat der materiellen Bedürfnisse im Stand ihrer Erfüllung.“ (Theodor W. Adorno).

Wer sich als Frau an die Philosophie wagt, kann einiges erleben. Als bei mir – in den Jahren nach der Dissertation – die Einschläge dichter wurden, habe ich mir mal einen Scherz erlaubt und das eben zitierte berühmte und 'in meinen Kreisen' allgemeine Andacht auslösende Zitat ein wenig entfremdet. Ich wollte es mit gewissen – heute wieder hochakuten – Schmäherfahrungen zusammen bringen und die Zumutungen männlicher Projektionen auf eine Weise bloßlegen, die niemanden schmähte, sondern Bildwelten, „Names-calling“, Erfahrungen und Entfremdungen aufeinander krachen ließ.

Das unveröffentlichte kleine Büchelchen, das daraus entstand, ist mir vor ein paar Jahren abhanden gekommen, in irgendeiner Umzugskiste versackt oder geklaut worden von irgendwem, dem ich mal freundlicherweise meine Bude überlassen hatte, während ich unterwegs war – so etwas habe ich nämlich früher oft und gern gemacht, also die Wohnung überlassen. Es hatte die Größe einer CD-Hülle, hieß „Das Wahrheitsspiel“ und enthielt außer einer etwas holperig geschriebenen pseudopornografischen Geschichte von einer Mewan und einem Mymon ein paar ganz hübsche, allenfalls soft- oder, wie ich in dem Büchlein (das einem Mann der Postmoderne zugedacht war, den ich damals liebte) schrieb, „vorpornographische“, ziemlich professionell und übrigens in angenehm kühler Arbeitsatmosphäre aufgenommene Fotos von meinem damals noch ganz ansehnlichen Leibe. Das Beste an dem ganzen Stücklein war aber – so jedenfalls erscheint es mir heute und aus der Erinnerung – der Anfang des Textes, denn der enthielt in der Form eines entfremdeten Adorno-Zitates einen wirklichen Gedanken (und nun muss ich mich wegen der Abwesenheit des Büchleins selbst aus dem Gedächtnis zitieren):

„Mit der Askese kommt die Sinnlichkeit da zusammen, wo sie am aller verruchtesten erscheint; ihren Höhepunkt erreichen beide in der Prostitution. Die Prostituierte bedient ihren Kunden dann am besten, wenn sie dem Kunden einen Orgasmus verschafft, indem sie ihren eigenen Orgasmus fingiert. Anders als immer gesagt wird, anders auch, als es die nach Berichten von Prostituierten regelmäßig von Freiern gestellte Frage, „ob es ihr gekommen sei“, suggeriert, kommt alles in diesem Geschäft darauf an, dass die Prostituierte nicht nur unbefriedigt bleibt, sondern auch keinerlei Freude an der Sache hat, diese aber kompetent vorgaukelt. Denn nur so kann sich der Freier bei ihr von dem entlasten, was er sich im Berufsleben selbst unentwegt zumutet: Askese. Im Besuch bei der Prostituierten gibt insbesondere der gut gestellte Geschäftsmann, der biedere Beamte, der Politiker, das spätkapitalistische und gesinnungsethische Spiel, bei dem Geld gezahlt wird für eine Leistung, die gegen die eigene Lust erbracht wird, aber mit allen Anzeichen vollständiger Identifizierung aufgeführt werden soll, an jemand anderen weiter. Sie soll sich eine halbe Stunde oder länger ihm gegenüber so betragen wie er gegenüber der gesellschaftlichen Maschine, die er bedient. Nach dieser Umkehrung ist er vermutlich süchtiger als nach dem eigentlich sinnlichen Akt oder irgendeiner Liebe. Und eben darum kann er diese Sucht auch so gut vor sich selbst geheimhalten und im Brustton der Überzeugung die Prostituierte und die Halbwelt, in der sie zu leben hat, verwerfen. Denn mit dem Akt des Zahlens identifiziert er sich nach getaner Tat sogleich wieder mit der von ihm für eine halbe Stunde suspendierten Askese – zwischen Büroschluss und Heimkehr in den Schoß der Familie hat er sich durch die Begegnung mit der Prostituierten für die bürgerlichen Freuden, die daheim auf ihn warten, gereinigt, und wenn seine Gattin ihm von ihrem Engagement gegen die Zwangsprostitution berichtet, wird er förderlich und ermunternd lächeln und sich heimlich freuen oder schämen. Vielleicht wird er auch in ihr besorgtes Reden maßvoll einstimmen und sich vornehmen, diese im übrigen ja auch ins Geld gehende Schleuse zukünftig zu meiden. Bis zum nächsten Mal.“

Vermutlich habe ich den Gedanken damals etwas kürzer gefasst und die Geschichten etwas länger, aber darum ging es. Und also auch um Adornos eigene Praxis, übrigens. Für mich war es durchaus ein hoffnungsvolles Büchlein – ich war verliebt in einen Mann, dem ich ausreichend Verstand zutraute, und ich schrieb es in einem Augenblick, in dem so etwas wie „die Befreiung des Geistes vom Primat der materiellen Bedürfnisse im Stand ihrer Erfüllung“ gelegentlich real zu sein schien.

Was sonst hinzu kam? Das spielt fast keine Rolle mehr. Es war mehr so eine dieser Summen aus der weiblichen Erfahrung mit dem, was Freud „die allgemeinste Verachtung des Liebeslebens“ nannte. Wie gesagt, vermutlich holperig geschrieben, und übrigens so, dass es auch seinen privaten Zweck vollständig verfehlte. Heute finde ich es trotzdem manchmal schade, dass ich das Büchlein nicht mehr habe. Ich würde es vielleicht überarbeiten und doch noch veröffentlichen wollen, mit oder ohne Bilder –irgendwann ist auch das egal. Immerhin habe ich von anderen Texten ein bisschen Erfahrung mit biographistischen Missverständnissen literarischer Texte. Nu.

Aber Adorno ist schon gut, oder? Und falls irgendwem das Stückchen über den Weg läuft, gar noch mit der gewhistleten „Information“, dass sich darin eine eingebildete Intellektuelle als Edelnutte oute oder dergleichen (ich kann mir mittlerweile alles vorstellen) – ich würde mich freuen, es wieder zu bekommen, gern mit ordentlicher Aufklärung über die Wege, die es genommen. Vielleicht finde ich es ja diesen Sommer unversehrt im Keller.

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